Nun führte mich mein Weg aufs Land in eine Praxis, ausgerechnet in meine Heimatstadt, bei meinem Hausarzt; es hatte sich dort eine Notsituation mit einer schweren Erkrankung der Ehefrau ergeben.
Chaos! Ich alleine, mit Gott sei Dank sehr erfahrenen Arzthelferinnen (so hießen die damals noch, wahlweise, Damen oder Mädchen, wobei die Altersgrenze unklar definiert war...)
Also zusammen los:
„Was schreibt der Doktor denn dabei auf?“
„Können wir das auch hier machen?“
„Darf ich dass auf Kasse aufschreiben?“
oder auch die Rückmeldung:
„Sie schreiben aber viel mehr Krankengymnastik auf, als der Doktor, ich glaube, das dürfen sie nicht!“
„Nur so kurz Krankschreiben macht kein Sinn, dann stehen die übermorgen alle schon wieder hier!“
„Die müssen damit nicht jeden Tag wieder kommen, reicht, wenn sie kommen, wenn es nicht besser wird.“
„Sie müssen nicht sofort alles liegen und stehen lassen für den Hausbesuch, das reicht morgen auch.“
„Jetzt gehen sie erst mal nach Hause und essen sie was.“
Ich habe viel gelernt und ohne diese Unterstützung wäre ich untergegangen. Das Bild wurde klarer als mein Seniorpartner wieder in der Praxis war: Ich hatte das Gefühl noch ein BWL-Studium zu absolvieren. Steuerberater, KV, Krankenkassen, MDK….ich wollte Medizin machen!
In Sachen Praxisorganisation änderte ich zunächst nichts. Ich fühlte mich nicht kompetent, konstruktive Kritik anzubringen. Fast zwei Jahre gingen ins Land, bis ich das Gefühl hatte, außer Medizin, weiß ich jetzt, was ich tue und stellte damit auch fest, dass ich vieles tat, was mir nun unlogisch erschien. Dank Neuerungen sehr aufgeschlossener Angestellter und einem Seniorpartner, der die Einstellung hatte, der macht das schon, (Danke Jürgen!) entwickelte sich für mich ein Konzept des Umbruches: Neue EDV, Karteikarten weg, Terminvergabe in der EDV, Notfallsprechstunden…… Und es vergingen wieder fast 2 Jahre, bis die Patienten die Strukturen verstanden und akzeptiert hatten und sich auch mit leichten Druck daran hielten. Somit entwickelte sich die Praxis gut. Mit der gleichen Arbeitszeit versorgten wir nahezu 50% mehr Patienten.